DON QUICHOTTE & DER MYTHOS DER KARMISCHEN LÖSCHUNG

Ein Beitrag über Selbsttäuschung, Verantwortung und Klarheit

Stell dir Don Quichotte vor.
Den alten Mann, der auf seinem mageren Einhorn sitzt, das Lichtschwert in der Hand, den Blick voller Überzeugung, bereit, gegen ein Monster zu kämpfen, das – in Wahrheit – nur eine Windmühle ist.

Und jetzt stell dir vor, wie viele Menschen heute genau denselben Kampf führen.
Nicht gegen Windmühlen aus Stein, sondern gegen die eigene Vergangenheit.

Sie glauben, sie könnten sie löschen.
Reinigen.
Umschreiben.
Evolvieren.
Als wäre ihr Leben ein kosmisches Textdokument, in das man einfach eine „Vertragsklausel“ einfügt und alle Schwierigkeiten verdampfen.

Das ist der moderne Don Quichotte.
Und der Kampf ist genauso aussichtslos.


DIE WINDMÜHLE DER ESOTERISCHEN LOGIK

Die Erzählung klingt groß:
Seelenbücher, Inkarnationspläne, Lektionen, die man sich selbst auswählt, Aura-Farben, die deine spirituelle Reife verraten, und die Idee, du könntest all das „karmisch reinigen“, wenn du dich nur der „Wahrheit des Inkarnationsspiels“ öffnest.

Aber hier ist der Punkt, der jeden gesunden Menschenverstand trifft wie ein Vorschlaghammer:

Nichts davon erklärt dein Verhalten.
Nichts davon löst deine Probleme.
Nichts davon macht dich frei.

Es ist ein System, das dir einredet, du würdest „tiefer“ arbeiten, während du dich in Wahrheit immer weiter von der echten Ursache entfernst.

Es lenkt dich weg vom heutigen Leben und hin zu Konstruktionen über frühere Leben, Verträge und karmische Schulden.
Nicht weil du nicht hinschauen willst, sondern weil du glaubst, dort läge die Lösung.

So verschiebst du Klarheit nach außen, in ein unsichtbares Regelwerk, statt dahin, wo sie tatsächlich entsteht:
in deinem Denken, in deinem Verhalten, in deinem Jetzt.

Es ist eine perfekt gebaute Windmühle.

Und während du tapfer darauf einreitest, dreht sie sich einfach weiter.


WAS WIRKLICH PASSIERT, WENN DU „KARMA LÖSCHST“

Du beschäftigst dich ununterbrochen mit dem Gestern.
Du suchst Ursachen in mystischen Verträgen, statt in deinen Entscheidungen.
Du wartest auf Erlösung, statt Verantwortung zu übernehmen.

Und weil Fokus wie ein Verstärker wirkt, wächst das, worauf du deine Aufmerksamkeit richtest.
Nicht, weil Ätheronen reagieren.
Nicht, weil die Aura dunkler wird.
Sondern weil dein Gehirn genau so funktioniert.

Du intensivierst das, was du vermeiden willst.
Und nennst es spirituelle Entwicklung.

Das ist keine Befreiung.
Das ist mentale Gefangenschaft.


DIE PSYCHOLOGIE DES MYTHOS

Warum klammern sich Menschen an solche Systeme?

Weil das echte Leben chaotisch ist.
Weil Schmerz keinen Sinn ergibt.
Weil Verantwortung schwer wiegt.
Weil es leichter ist, an ein „Seelenbuch“ zu glauben, als sich einzugestehen, dass man Entscheidungen getroffen hat, die Folgen haben.

Es ist leichter, zu sagen:
„Ich habe mir dieses Leben ausgesucht.“
als:
„Ich mache es mir gerade selbst schwer.“

Und wenn etwas nicht funktioniert, gibt es die perfekte Ausrede:
„Du hast es nicht richtig gereinigt.“
„Du bist noch nicht bereit.“
„Du musst noch tiefer in die Vergangenheit.“

Es ist ein System ohne Ausgang.


DER BRUCH MIT DER WINDMÜHLE

Der Moment der Wahrheit ist radikal einfach:

Du musst nicht reinigen, was vorbei ist.
Du musst verstehen, was du heute tust.

Einmal hinschauen.
Einmal ehrlich erkennen.
Einmal Verantwortung übernehmen.

Das ist der echte Bruch.
Das stoppt die Windmühle.
Das macht den Kampf überflüssig.

Denn der Feind war nie die Vergangenheit.
Der Feind war die Idee, dass du sie löschen musst.


DIE EINLADUNG

Du bist nicht Don Quichotte.
Du bist nicht verflucht, gegen Illusionen anzureiten.
Du hast die Fähigkeit, klar zu sehen.

Wenn du aufhörst, Karma zu löschen und anfängst, Verantwortung zu tragen, wird die Windmühle wieder zu dem, was sie immer war:

Ein harmloses Ding im Wind.
Unbeeindruckt von dir.
Unerreichbar für deinen Kampf.
Und absolut bedeutungslos.

Fang an, klar zu sehen.
Der Rest kommt von selbst.

PS: Für alle, die jetzt sagen wollen, ich hätte das Konzept nicht verstanden

Das Argument „Du hast es nur nicht richtig gemacht“ ist die letzte Verteidigung jedes Systems, das sich selbst nicht erklären kann.
Es schützt nicht die Wahrheit – es schützt die Illusion.

Wenn ein Konzept nur dann funktionieren soll, wenn du es perfekt, rein genug oder spirituell genug anwendest, dann ist das kein tiefes Wissen.
Das ist ein verschiebbarer Maßstab.

Und ein verschiebbarer Maßstab erklärt nie etwas.
Er verhindert nur, dass man hinterfragt.

Wer behauptet, Verständnis sei das Problem, sagt damit vor allem eines:
Das System darf niemals scheitern, also muss immer der Mensch scheitern.

Genau deshalb braucht es Klartext.
Nicht um jemanden zu widerlegen, sondern um die Freiheit zurückzugeben, selbst zu denken.

Fang an, klar zu sehen.
Der Rest kommt von selbst.

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